Großhadern liegt ja nicht gerade in meiner Einflugschneise. Bei meiner Recherche stoße ich aber immer wieder auf Lobeshymnen über das Café Widmann, dass man dort noch wie früher bäckt, die überwältigende Auswahl an Torten, beste Qualität… So mache ich mich eines Sonntags auf, wohl wissend, dass das Café allerdings nicht mehr wie früher aussieht.
Ich muss mich etwas überwinden, denn Großhadern assoziiere ich immer mit hochmodernem Klinikum und unheilbaren Krankheiten. Kein Ort, an dem man gemütlich Kaffee trinkt.
Der Ort
Umso erstaunter bin ich, noch auf soetwas wie einen alten Dorfkern zu stoßen, als ich aus der U-Bahn kommend in die Heiglhofstraße biege: ein zum Hotel umgebautes Wirtshaus und ein paar alte Bauernhäuser aus dem 19. Jh. stehen hier. So ähnlich muss auch das Elternhaus von Jakob Widmann ausgesehen haben, bevor es durch ein Apartmenthaus ersetzt wurde und er dort 1964 seine Konditorei eröffnete. Mir fällt der wunderschöne Fachwerkhof meines Onkels ein, wo wir als Kinder so gern gespielt haben, bis er ihn eines Tages an eine Wohnungsbaugesellschaft verkaufte und sehr reich wurde. Er zog in ein geklinkertes Einfamilienhaus in einer Neubausiedlung am Stadtrand. Wir Kinder drückten uns fortan so gut es ging vor den Besuchen im Klinkerhaus. Den gefliesten Böden und dem kahlen Vorstadtgarten konnten wir wenig abgewinnen.
Den in der Sonne schneeweiß leuchtenden Bau dagegen mag ich. Die 60er Jahre Architektur wird auch noch wiederentdeckt werden, da bin ich mir sicher. Vielleicht reißt man die herausragenden Exemplare dann nicht mehr so schamlos ab, wie das schwarze Haus der Süddeutschen Zeitung in München.
Die Konditorei
Als ich den großzügig gestalteten Verkaufsraum betrete, muss ich trotzdem kurz schlucken. Hell und minimalistisch erinnert er mich im ersten Moment an das Entrée einer durchgestylten Zahnarztpraxis. Nur dass es wesentlich besser riecht. Und nichts den Blick vom Wesentlichen ablenkt, den grandiosen, optisch opulenten Torten, Kuchen und Pralinen. Im Caféraum wird mit Thonetstühlen und Marmortischen das klassische französische Kaffeehausthema aufgegriffen und mit neobarock angehauchten Elementen aktualisiert: Ornamenttapete und Designer-Kronleuchter, hellgelb statt violett. Auch wenn mir die Originaleinrichtung lieber gewesen wäre – hier hat sich ein Innenarchitekt Mühe gegeben und ein in sich stimmiges Gesamtkonzept für ein modernes Café abgeliefert.
Ich ergattere in dem rappelvollen, eng gestellten Raum einen gerade frei gewordenen Tisch und quetsche mich in ein Eck. Hier trifft sich mindestens die gesamte Nachbarschaft, Familie, Freunde. Durch die erzwungene Dichte bekommt man unweigerlich mit, was um einen herum so gesprochen wird. Gott sei Dank kommt prompt mein Kuchen, so dass ich dem Gespräch über die Frühpensionierung der beiden Herren am Nebentisch nicht weiter folgen muss.
Die Torte
Ich habe mich für die Punschtorte entschieden, ein Volltreffer. Vier Schichten Biskuit, einmal Schoko-, zweimal Nuss- und einmal heller Biskuit, dazwischen dünne Schichten Creme, Preiselbeeren und das Ganze mit Marzipan überzogen. Der Geschmack ist absolut ausgewogen, feinherb, nicht zu süß und nicht zu mächtig. In die Lobeshymnen stimme ich mit ein.
Konditorei Café Widmann
Heiglhofstraße 11
81377 München
www.konditorei-widmann.de
U6: Klinikum Großhadern, 2 Min. Fußweg
das ist wahre Poesie, was da über das Cafe Widmann geschrieben wurde, die Preise sind jedoch auch dementsprechend
Herzlichen Dank!